Die "gefühlte Miete"

Wie fühlt man sich die Miete günstiger als sie ist? Wer das versucht hat, kann nicht sehr erfolgreich gewesen sein. Bei 2 bis 2,5% jährlicher Mietsteigerung wird das Gefühl eher schlechter als besser, denn Gehalt oder Rente können mit diesem Tempo nicht mithalten.

Geht eigentlich nur, wenn andere für die Mietzahlung aufkommen. Empfänger von Sozialhilfe I und II vielleicht, denen die Kosten der Unterkunft erstattet werden. Aber eine Situation zum Wohlfühlen, ist das wohl auch nicht.

Jenawohnen jedenfalls scheint sich wohl zu fühlen und ist stolz darauf, dass mit den neuen Unterstützungssätzen für die Kosten der Unterkunft jetzt 90% des Wohnungsbestandes in die Kategorie von „Sozialwohnungen“ fallen. Auch hierzu eine Übersicht:

Leistungen für Unterkunft nach SGB II als Nettokaltmiete je qm

Jena

6,94 bis 8,13

ab 01.01.2016

Erfurt

5,39 bis 5,24

ab 01.06.2016

Weimar

5,89 bis 7,41

ab 01.01.2016

Die Stadt Jena selbst gibt in einer Publikation zum Jenaer Wohnungsmarkt freimütig zu, dass die Neuregelungen zur Kostenübernahme zu einem Anstieg der Miete im preiswerten Miet-Segment beigetragen haben.

Zur "gefühlten Miete" gehört natürlich der Vergleich!
Wenn andere noch härter betroffen sind, fühlt man sich gleich irgendwie begünstigt. Ein Vergleich mit anderen Städten in Thüringen kommt dafür natürlich nicht in Betracht, aber ein Vergleich mit den privaten Vermietungen in Jena fühlt sich da schon ganz anders an. Im Pressebeitrag vom 24.11.2017 stellt sich das so dar:

Miete in Preiskategorien

So gefühlt schön kann Statistik aussehen! Dass in Jena gegenüber den Wohnungsunternehmen 3 mal weniger Wohnungen privat vermietet werden, sieht man dem Bild nicht an. Die blauen Balken müssten ungefähr auf 1/3 eingekürzt werden. Und es gibt für die blauen Balkenwerte nicht einmal exakte Zahlen, nur Umfragen und Hochrechnungen.

Die Stadt Jena ist sich nicht zu schade, einen Durchschnittswert für die Kaltmiete in Jena zu präsentieren, der im Widerspruch steht zu allen sonst verfügbaren Veröffentlichungen. Je höher der Durchschnitt, um so glücklicher fühlt man sich, wenn man noch drunter liegt – so soll es vielleicht den betroffenen Mietern vermittelt werden? Selbst wenn das mulmige Gefühl aufkommt, dass man demnächst vielleicht eine Erhöhung zu erwarten hat, dann wird durch diese Kampagne zumindest schon mal Verständnis für die unausweichlich kommenden Ereignisse entwickelt.

Am glücklichsten aber sind die Wohnungsunternehmen in Jena. Bisher konnte man nämlich anhand der Durchschnittswerte der Jenaer Miete die schwarzen Schafe – die Preistreiber eben – eindeutig benennen. Das geht nun nicht mehr, denn mit den Durchschnittswerten von Timourou liegen alle Wohnungsunternehmen in Jena unter dem Durchschnitt. Die Privaten sind schuld!

Der vtw errechnet 2016 für Jena einen Durchschnittswert von 5,55 Euro. Die Stadt Jena ermittelt durch Umfragen für die großen Wohnungsunternehmen einen Durchschnitt von 5,91 Euro. Die Unternehmen selbst: Siehe Tabelle oben.

Man wird in den Unterlagen der Stadt sogar über die breit gefächerte Begriffswelt der Miete informiert: Kaltmiete, Nettomiete, Angebotsmiete, Vergleichsmiete, Durchschnittsmiete, Bestandsmiete u.v.m. Nur einen wichtigen Begriff wird man vergeblich suchen – auf den müssen Sie selbst kommen:

Die Kostenmiete!
Darunter versteht man eine Miete, die zur vollständigen Deckung der laufenden Aufwendungen unter Berücksichtigung der tatsächlichen Finanzierungskosten erforderlich ist.

Die Kostenmiete setzt sich aus 5 Bestandteilen zusammen: den Kosten für die laufende Instandhaltung, den Verwaltungskosten, den Darlehenszinsen und der Tilgung. Dazu kommen evtl. noch Kosten, um einen Mietausfall auszugleichen.

Die Kaltmiete ist die Kostenmiete plus Gewinn. Wir reden also eigentlich die ganze Zeit nur über den Gewinnanteil an der Miete und wie er planmäßig und regelmäßig gesteigert werden kann.

Jenawohnen hat bei Verwendung der eigenen Daten im Jahresgeschäftsbericht eine Kostenmiete von ungefähr 3,60 Euro je Quadratmeter und Monat. Nach Tilgung aller Altkredite, die um das Jahr 2020 anstehen dürfte, verringert sich der Wert auf weit unter 3,00 Euro. Die Kosten für Neubau bleiben außen vor, denn die werden ja wohl nicht den Bestandsmietern auferlegt, oder?

Man vermeidet also den Begriff Kostenmiete, um den Gewinn zu verschleiern.

Genossenschaften ticken bei alledem noch etwas anders. Dort wird systematisch und von vornherein auf Entschuldung hin gearbeitet – bei guten Genossenschaften jedenfalls.