Sind Genossenschaften dagegen immun?

Genossenschaften sind nicht per se eine Insel der Glückseeligkeit. Wenn sie es denn wären, würden sie eine ernst zu nehmende Konkurrenz für den Immobilienmarkt darstellen. Noch vor wenigen Jahren konnte man im Web den Werbeslogan der Genossenschaften lesen: „Kommen Sie zu uns, da müssen Sie zwar Anteile kaufen, aber die Mieten sind um 20% niedriger“.

Das grundsätzliche Problem von heutigen Wohnungsgenossenschaften ist in ihrem Strickmuster hinterlegt. Die Genossenschaft ist eigentlich nur ihren Mitgliedern verpflichtet. Gablers Wirtschaftslexikon definiert das so: „Bei Wohnungsgenossenschaften geht es um eine individuelle Förderung der Mitglieder und nicht – wie bei kommunalen Wohnungsgesellschaften – um eine Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnungen.“ Andererseits ist aber eine Genossenschaft hinsichtlich ihrer Personenzahl nicht geschlossen. Sie kann sich also jederzeit erweitern. Wenn dann noch hinzu kommt, dass auch die Grenzen des erlaubten Handelns laut Satzung sehr weit ausgedehnt sind, dann kommt es ganz darauf an, wie die Verantwortlichen der Genossenschaft diesen Freiraum auslegen und nutzen. Das ist eine Entscheidung der handelnden Personen im Vorstand und kann nur durch den Aufsichtsrat im Nachgang korrigiert werden. In der Praxis ist es nur ein kleiner Schritt von Erweiterungsneubauten für die Mitglieder und sinnvollen Zugeständnissen an die Kommune bis zum „Modernen Immobilienunternehmen“.

Eine Wohnungsgenossenschaft mit einem bedeutenden Anteil am kommunalen Wohnungsbestand wird von den kommunalen Funktionären ganz anders gesehen und behandelt als unbedeutende kleine Genossenschaften. Kommunalpolitiker werden immer versuchen, Genossenschaften in die Pflicht zu nehmen und umgekehrt braucht ein „Modernes Immobilienunternehmen“ dieses einvernehmliche Wohlwollen der Politiker, wenn sie denn am Immobiliengeschäft teilhaben wollen.

Für die Mitglieder von größeren Wohnungsgenossenschaften entwickelt sich diese Situation in einem fast unmerklichen Prozess. Die Tragweite der vielen kleinen Schritte zum Umsteuern von Förderung der Mitglieder auf kommerzielle Immobiliengeschäfte ist für sie nicht überschaubar. Nur in kleinen Wohnungsgenossenschaften mit deutlich unter 1500 Mitgliedern kann sich ein WIR-Gefühl über alle Verantwortungsebenen hinweg entwickeln und auch stabil erhalten bleiben.

Oft entscheidend ist auch die regionale Bindung der Entscheidungsträger in Genossenschaften über deren Handeln. Das Einwerben von externer Fachkompetenz für ein Angestelltenverhältnis im Vorstand oder als Nebenjob im Aufsichtsrat bringt noch längst keine Identifizierung mit dem Anliegen und Zielen der Mitglieder. In den allermeisten Fällen wird mit der Übernahme der Funktion nicht das Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Mitgliedern gestärkt (das durch die geringe Bindung auch nie da war), sondern ein darüber hinausgehendes unternehmerisches Handeln herausgefordert. Der erste Schritt also auf dem Wege zu einem straff geführten Immobilienkonzern.