Faires Wohnen in Jena
Hauptmenü
Optionen
Links

Forum

Startseite > in Genossenschaften > Sind Genossenschaften noch zeitgemäß? > Die Satzung als Sicherheit einer soliden Genossenschaftsarbeit

Die Satzung als Sicherheit einer soliden Genossenschaftsarbeit

Die Satzung definiert im Förderzweck die charakteristischen Merkmale und Ziele der Genossenschaft. Dort haben die Mitglieder ihr Hauptanliegen hinterlegt. Jede Abweichung davon, etwa eine unzulässige Gewinnorientierung muss unbedingt vermieden werden. Eine Aufgabe, die wiederum beim Aufsichtsrat angesiedelt ist. Aber neuerdings ist auch der Prüfungsverband gefordert, rechtzeitig Warnungen auszusprechen, wenn er Gefahren erkennt.

Die Satzung regelt darüber hinaus in allen Einzelheiten die Rechte und Pflichten von Mitgliedern und Führungsgremien, definiert Verfahrensweisen zu Gebühren, Veränderungen der Mitgliedschaft usw.

Sie kann aber nicht Eingriffe in den operativen Geschäftsbetrieb zulassen. Das ist einzig und allein Sache des Vorstandes. Vielfach gibt es die Illusion, man könne über Satzungsregelungen die Befugnisse des Vorstandes so begrenzen, dass eine unmittelbare Mitbestimmung erreicht wird. Man kann auch keine Festlegungen verankern, die im Widerspruch zum Genossenschaftsgesetz stehen. Darüber wacht das Registergericht. Alle Veränderungen der Satzung müssen diesen Filter passieren, um Gültigkeit zu erlangen. Eine Satzung wird nämlich nicht bereits mit dem Beschluss der Mitglieder gültig, sondern erst mit ihrer Veröffentlichung im Register.

Um diese Unsicherheiten zu vermeiden, ist es sinnvoll, sich auf Mustersatzungen zu stützen. Die sind erprobt und werden beim Registergericht quasi durchgewinkt. Es verwundert also wenig, dass man in der Praxis viele gleichartige oder ähnliche Satzungen vorfindet. Eine Berliner Initiative „Genossenschaft von unten“, bei der Juristen der Humboldt-Uni stark engagiert waren, hat 2016 eine Mustersatzung veröffentlicht, die Vieles ausgelotet hat, was an direkter Mitbestimmung machbar und zulässig ist. Das Problem dabei ist: Es bedarf für deren Durchsetzung eines Kontrollmechanismus, einer bürokratischen Instanz. Man gelangt also nur zur nächsten Illusion, wenn man glaubt, mit der besten Satzung hätte man alle Probleme gelöst.

Natürlich ist die richtige und gute Satzung wichtig, aber sie lebt vom ehrlichen Wollen der Personen, die mit ihrer Umsetzung befasst sind. Deshalb ist die Auswahl der richtigen Führungskräfte fast noch wichtiger als die perfekte Satzung.

Bisher mündeten die Betrachtungen in der Erkenntnis: Gutes Gesetz, gute Satzung, aber schwer durchsetzbar. Wenn die Immobilienlobby Einfluss ausübt, kann das aber auch ganz anders aussehen. Der zentrale Genossenschaftsverband der BRD hat 2017 für Wohnungsgenossenschaften eine Mustersatzung herausgegeben. Im § 2 der Satzung liest sich die Zielstellung einer Wohnungsgenossenschaft so: „Zweck der Genossenschaft ist die Förderung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung sowie die Beförderung der Vermögensbildung der Mitglieder.“ Das dürfte für jeden Vorstand nicht nur der Freibrief zum modernen Immobilienunternehmen sein, er wird sogar verpflichtet, genau das zu tun! Aber es geht noch weiter. Im Absatz 4 heißt es: „Die Genossenschaft ist berechtigt, sich an anderen Unternehmen zu beteiligen, soweit diese Beteiligungen eine untergeordnete Hilfs- oder Nebentätigkeit der Genossenschaft darstellen.“ Klingt ganz unverfänglich und unschuldig. Dort wird also ein Tochterunternehmen für die Genossenschaft zugelassen, auf das einzig und allein der Vorstand Einblick und Zugriff haben darf – kein Aufsichtsrat, keine Mitgliederversammlung, Niemand! Denn hier greift nur das GmbH-Gesetz. Der einzige Gesellschafter des Tochterunternehmens ist die Genossenschaft, und die wird allein vom Vorstand vertreten!

Das Prinzip ist also denkbar einfach: Erst uneingeschränkt Gewinn produzieren und den dann unkontrolliert über Tochterunternehmen abschöpfen!

Das wäre dann hochoffiziell der Abgesang für Wohnungsgenossenschaften. Alle vorab dargestellten Gefahren gingen genau in diese Richtung, waren aber unzulässig und damit illegal. Die Chance einer Korrektur war durchaus noch gegeben. Mit der Satzung des Genossenschaftsverbandes ist das nicht mehr gegeben.

Ist das die Entwicklungsperspektive der derzeitigen Wohnungsgenossenschaften?