Sind Genossenschaften noch zeitgemäß?

Die ersten Wohnungsgenossenschaften Ende des 19. Jahrhunderts waren Selbsthilfegemeinschaften. Bedürftige auf Wohnungssuche oder in Elendsquartieren nutzten die Gelegenheit, mit wenig Kapital aber viel Eigenleistung sich ein menschenwürdiges Wohnen zu ermöglichen. Das war möglich, weil sie nicht auf sich allein gestellt waren, sondern die Kraft und Ideen der Gemeinschaft nutzen konnten. Das bedurfte aber auch damals schon einer Organisation und eines Anstoßes, um den Stein ins Rollen zu bekommen.

Die Zeit war günstig und reif. Es war der Beginn einer industriellen Revolution, als die manuelle Heimarbeit zum Erliegen kam und die verarmte Landbevölkerung in die Städte strömte. Es war zugleich eine Zeit, in der die Pioniere jener technischen Revolution selbst auch soziale Verantwortung wahrnahmen. Volksbäder, Volkshäuser, betriebseigene Arbeiterwohnsiedlungen entstanden. Auch die meisten kommunalen Wohnungsunternehmen wurden in jener Zeit gegründet.

Die wurden allerdings um das Jahr 1990 aus ihrer sozialen Verantwortung entlassen. Sie durften ab der Jahrhundertwende im vollen Umfang marktwirtschaftlich arbeiten, weil die Notwendigkeit einer sozialen Fürsorge angeblich nicht mehr gegeben war. In Wirklichkeit waren auch die Kommunen selbst daran interessiert, Gewinne abzuschöpfen oder über den Verkauf von kommunalem Eigentum ihre Haushalte zu sanieren.

Sind also die Wohnungsgenossenschaften die letzten Überbleibsel der sozialen Marktwirtschaft?