Förderung aus heutiger Sicht

Eine Genossenschaft ist nach klassischem Verständnis ein Zusammenschluss von Mitgliedern, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, das jeder Einzelne auf sich allein gestellt nicht zustande brächte. Diese Fixierung auf den gemeinsamen Zweck und den gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu deren Verwirklichung ist klar in § 1 Abs. 1 des Genossenschaftsgesetzes vorgegeben. Im Umkehrschluss bedeutete das aber auch, dass es in einer „Genossenschaft“ keinen Personenkreis mit anderer Zielsetzung als der in der Satzung festgeschriebenen Förderzielstellung geben kann.

Bei diesem „Ein-Ziel-Modell“ erteilen die Mitglieder der Genossenschaft, der sie beigetreten sind, einen Förderauftrag – einfach durch ihren Beitritt. Mit der Satzung gibt die Genossenschaft gleichzeitig ein Leistungsversprechen, seine Mitglieder genau im Sinne der definierten Zielstellung zu fördern. Daraus erwächst eine einklagbare Treuepflicht der Genossenschaft – vertreten durch den Vorstand – gegenüber ihren Mitgliedern.

Als Zweck einer Wohnungsgenossenschaft ist in aller Regel „die Förderung der Mitglieder durch gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung“ definiert. Zusätzlich können ergänzend Betätigungsfelder genannt werden. Also z.B. der Erwerb, die Errichtung und Bewirtschaftung von Bauten, die Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf Nichtmitglieder oder das Betreiben einer Spareinrichtung.

Prof. Geyer schreibt für die WG Carl Zeiss in der Mitgliederzeitung WIR: „Die Spareinrichtung ist Mittel zum Zweck ... kein zusätzliches Geschäftsfeld.“ Das empfinden wir als korrekte und notwendige Ansage! Die zusätzlich genannten Betätigungsfelder in der Satzung der Genossenschaft haben sich der generellen Zielstellung unterzuordnen.

Die Genossenschaft kann eine Spareinrichtung unterhalten, um einen besseren finanziellen Spielraum für ihr Kerngeschäft zu bekommen. Sie kann Immobiliengeschäfte betreiben, wenn dadurch der Förderauftrag besser, schneller, zu günstigeren Bedingungen erfüllt werden kann.

Ein Bürger kann also nicht in eine Wohnungsgenossenschaft eintreten, allein um günstige Rendite für seine Geldanlage zu erzielen. Er muss sich nämlich in seiner Beitrittserklärung der Satzung unterwerfen – und die definiert die Wohnungsversorgung als einziges Ziel der Genossenschaft. Demzufolge besteht für die Mitgliedschaft der reinen Sparer in der Genossenschaft keine Rechtsgrundlage.

Eine "Expertenkommission Wohnungsgenossenschaften" des Ministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen hat 2004 in einem Situationsbericht zu Wohnungsgenossenschaften in der Bundesrepublik folgende Empfehlung erarbeitet:

„Die Wohnungsgenossenschaften sollen per Satzung festlegen, dass der Vorstand zusätzlich zu dem von ihm aufzustellenden Lagebericht die Mitglieder in einem jährlichen Förderbericht über die erbrachten Förderleistungen informiert. .... Ein Förderplan soll als Strategiepapier ... die Rangfolge der Förderaktivitäten im nächsten Berichtszeitraum festlegen.“

Es wurde ebenso empfohlen, der Generalversammlung regelmäßig das langfristige Konzept der Genossenschaft darzulegen.

Eine Zufriedenheitsanalyse unter den Mitgliedern soll periodisch die Erfüllung des Förderauftrags analysieren, soll herausfinden, welchen besonderen Wert die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft für sie darstellt, inwieweit sie zufriedener sind und sich günstiger gestellt fühlen als die Mieter auf dem sonstigen Jenaer Wohnungsmarkt. Zufrieden sein heißt stolz zu sein, in einer Genossenschaftswohnung zu wohnen. In der WG Carl Zeiss jedenfalls wurde seit 2011 keine Befragung mehr unter den Mitgliedern durchgeführt.

Das ist verständlich, wenn man nur wenige kostenintensive Projekte auf ihren Fördereffekt für die Mitglieder der WG Carl Zeiss hinterfragt:

  1. die Spareinrichtung,
    sie hat den Wohn-Mitgliedern der Genossenschaft jährlich eine zusätzliche Zinslast von 1,5 Mio Euro aufgebürdet, aber keinen erkennbaren Nutzen gebracht.
  2. die Vermietungs-GmbH,
    eine 100%ige Tochter der WG Carl Zeiss, mit hohem finanziellem Engagement der Genossenschaft zu einem Gesamtvermögen von 40 Mio Euro aufgebaut, das aber an das Mutterunternehmen noch nie Gewinne abgeführt hat.
  3. das Bauprojekt Sonnenhof,
    für inzwischen 30 Mio Euro entstehen dort 29 Wohnungen und eine Palastresidenz. Für das gleiche Geld hätte man 400 Aufzüge bauen können, modernen Wohnkomfort für 4000 Mitglieder also.

Diese Realität hat nichts – aber auch gar nichts – mit dem Auftrag zu tun, die Mitglieder mit gutem, sicheren und sozial verantwortbarem Wohnraum zu fördern.

Eine Mittelverwendung also, die vom Förderauftrag nicht gedeckt ist!

Fördern aus heutiger Sicht heißt für einige Jenaer Genossenschaften ganz einfach Rückbesinnung auf die Werte einer Genossenschaft und den genossenschaftlichen Förderauftrag. Das ist institutionell und organisatorisch zu festigen!

Darüber hinaus gibt es natürlich auch eine qualifizierte Wunschliste für bessere Wohnen.

Ein gemeinsames Projekt der WG Carl Zeiss und Jenawohnen in Winzerla haben durch intensive Zusammenarbeit mit den Bewohnern eine aktualisierte Liste der am dringlichsten gewünschten Förderziele zustande gebracht. Ganz oben auf der Hitliste stehen Aufzüge, gefolgt von Wohnumfeld und Wohnungszuschnitt bei gleich bleibenden Gebühren.

Eine Modernisierung des Wohnungsbestandes also mit moderaten Gebührensteigerungen lautet letztlich die Neufassung des Förderungsziels.

Verständlich auch, dass das Jenawohnen etwas anders sieht. Dort lautet die Perspektive: Entweder Modernisieren und Mietsteigerung oder geringfügig aufgewertete Erhaltung der Bausubstanz.

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