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Startseite > Vergleich Jenaer Wohnungsunternehmen > Abbau der Kredite > Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss

Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss

Auf unserer Hitliste 2012 zu den Mietpreisen in Jena liegt sie bereits auf einem der vorderen Plätze – die Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss. Eine nähere Betrachtung soll versuchen, erste Erkenntnisse zu gewinnen, warum das so ist.

Heimstätten-Wohnungsgenossenschaft 6,00 Euro
Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss 5,10 Euro
Jenawohnen (bei einem Gewinn von 15,8 Mio.) 4,93 Euro
Örtliche Wohnungsgenossenschaft 4,85 Euro
Wohnungsgenossenschaft Lobeda-West 4,41 Euro

Die Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss ist mit 6.248 Wohnungen und 11.035 Mitgliedern die mit Abstand größte in Jena. Allein 2012 sind 891 Mitglieder hinzu gekommen.

Allein diese große Differenz zwischen Wohnungen und Mitgliedern ist ein Alleinstellungsmerkmal, das wir bei keiner Wohnungsgenossenschaft in Jena vorgefunden haben. Auch unsere Suche im näheren Thüringer Raum hat nichts Ähnliches ergeben. Üblicherweise haben Genossenschaften Wartelisten oder ihre ausgeschiedenen Mitglieder halten sich den Rückweg offen, falls die Lebens- oder Berufsplanung doch anders verläuft. Eine geringe Differenz ist also ganz normal.

Es gibt aber keine Genossenschaft, bei der die Eintrittsschwelle, um Mitglied zu werden, so niedrig angesetzt ist wie bei der WG Carl Zeiss.

Die Spareinrichtung der Genossenschaft

Bis vor Kurzem konnte man auf der Webseite der Genossenschaft noch lesen:

„Mit nur 15,50 Euro können Sie mit dem Erwerb eines Anteils Mitglied der Wohnungsgenossenschaft „Carl Zeiss“ eG werden und in den Genuss unserer attraktiven Sparkonditionen kommen. ..... Auch Interessenten, die keine Wohnung mieten wollen, können die Sparangebote nutzen, wenn sie der Genossenschaft zuvor beitreten .....“

Aha, es geht also um den Aufbau und die Erweiterung eines eigenen Geldinstitutes – einer Spareinrichtung – für die Genossenschaft. Und dafür werden den Sparern Konditionen angeboten, die günstiger als die Zinssätze von Sparkassen und Banken liegen.

Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung hat Genossenschaften schon vor längerer Zeit die Lizenz zum Bankbetrieb für ihre Mitglieder erteilt, um die eigenen Projekte der Genossenschaft effektiver und ohne Fremdkapital realisieren zu können. Beispielsweise um dadurch teure Bank-Kredite abzulösen oder günstig in Werterhaltung und Neubau zu investieren.

Die Genossenschaft kann ihren Mitgliedern günstigere Zinsen zahlen als eine „normale“ Bank, weil sie ihrerseits die teuren Zinsen einspart, die für Kredite bei „normalen“ Banken anfallen würden. Der Vorteil durch den Wegfall der hohen Bankzinsen wird also an die Sparer weitergereicht, wobei allerdings die Verwaltungskosten der Genossenschaft zur Last fallen.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) hat es den Genossenschaften aber untersagt, ihre Spareinrichtung für jedermann zu öffnen. Sparer dürfen nur Mitglieder der Genossenschaft und deren Angehörige sein. Der Gesetzgeber will offensichtlich vermeiden, dass sich die Interessenlage der Genossenschaft von der günstigen Wohnungsversorgung hin zu einer reinen Gewinnorientierung verschiebt.

Dieses Problem lässt sich aber mit 15,50 Euro leicht beheben. Mit der Interessenlage ist das allerdings etwas komplizierter.

Die eigenen Mitglieder zu animieren, zusätzlich mit privatem Geld bessere Zinsbedingungen für die Genossenschaft zu schaffen, das ist geschickte und gute Genossenschaftsarbeit. Aber reine Gewinninteressenten ohne Wohninteresse als neue Mitglieder einzuwerben, ist eine andere Sache. Denen ist ja zunächst auch gar nicht klar, dass sie jetzt Mitglied einer Wohnungsgenossenschaft mit Rechten und Pflichten sind.

Wie viele das betrifft, lässt sich schwer sagen. 2010 fanden jedenfalls Vertreterwahlen statt (eine Genossenschaft mit mehr als 1.500 Mitgliedern agiert nicht mehr direkt durch Mitgliederentscheid, sondern über gewählte Vertreter). Und bei dieser Gelegenheit wurden 22 Vertreter der Sparer gewählt. Beim vorgegebenen Verhältnis von 100:1 wären das 2010 also 2.200 reine Sparer. Inzwischen dürften das deutlich mehr geworden sein. Genauere Informationen in den Jahresgeschäftsberichten werden seit 2011 jedenfalls immer spärlicher. Auch das Entlastungsargument: Ehe- und Lebenspartner werden zunehmend Mitglieder erklärt ja das Phänomen der reinen Sparvertreter nicht.

Entscheidend ist der Interessenkonflikt, der sich dabei auftut. Leistung im Wohnbereich bei sinkender Kreditlast oder gute sichere Rendite für eingezahlte Beträge – so etwa lautet alternativ die Interessenlage.

Dabei war doch eigentlich klar, dass sich in einer Genossenschaft alles der Zielstellung der Satzung unterzuordnen hat. Und die ist fast identisch wie anderswo auch in der WG Carl Zeiss vorgegeben durch „... die Förderung ihrer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung“.

Welche strategische Linie der Genossenschaft ist denn erkennbar?

Um es vorweg zu nehmen: keine!

Die Schulden gegenüber den Sparern sind 2012 etwa gleich hoch wie gegenüber den Kreditinstituten. Die Zinsen sind in der derzeitigen Niedrigzinsphase ebenfalls vergleichbar. Die Summe der Kreditbelastung aus beiden hatte 2005 ihren Tiefstwert, ist seitdem wieder angestiegen und hat sich inzwischen stabil zwischen 110 und 120 Mio. Euro eingepegelt.

Konstant ist bei genauem Hinsehen nur die Summe der Belastung. Die Spareinlagen nehmen zu, während die Bankkredite schon abgeschmolzen werden. Vielleicht bedeutet das aber auch, dass man gar nicht vor hat, die Spareinlagen abzusenken. Man muss ja nur die Sparer bei Laune halten, dann kann man deren Einlagen auf ewig an die Genossenschaft binden. Nie Tilgung, nur gutes Anlageversprechen – so arbeitet im Grunde jede Bank! Im eigenen Geldinstitut kann man selbst viel besser entscheiden, welche Anlageprodukte man anbietet und wie man die Basiszinsen für das Sparbuch gestaltet. Die Kundenbewegungen im Detail sind dabei unbedeutend.

Wie hält man Sparer bei Laune? Durch gutes Bankmanagement und attraktive Anlagen – Anlagen in Immobilien natürlich, bei Neubau oder evtl. bei Beteiligung in einem eigenen Immobilienfonds. Da ist bei der WG Carl Zeiss mit ihren kompliziert verschachtelten 4 Tochterunternehmen viel Spielraum. Und die Hauptakteure der Genossenschaft bringen da viel Erfahrungen aus dem Bankmanagement mit.

Das wäre dann schon eine erkennbare strategische Linie: Wandlung der Bankkredite in Spareinlagen und deren stabile Bindung an die Genossenschaft durch attraktive Anlageobjekte. Deshalb die Fixierung auf Neubau und hohen Mieten. Beim Sonnenprojekt scheint das übel daneben gegangen zu sein, aber es gibt ja noch mehr Projekte.

Nur was bringt das den Mitgliedern der Genossenschaft, und wie vereinbart sich das mit dem Förderauftrag, den ja alle anderen Genossenschaften in Jena sehr ernst nehmen?

Die Ausgabenbilanz

Konzentrieren wir uns wieder – wie wir das bisher auch getan haben – auf die wichtigsten Ausgabepositionen, wie sie dem Geschäftsbericht zu entnehmen sind:

Die Verwaltungskosten liegen in der gleichen Größenordnung wie bei Jenawohnen und betragen 722 Euro je Wohnung und Jahr. Dieser Posten macht demnach etwa 1 Euro der monatlichen Gebühren je qm aus. Das ist viel, aber etwas auch der besonderen Betreuungsleistung einer Genossenschaft gegenüber den Mitgliedern geschuldet.

Für die Instandhaltung von älteren Gebäuden liegt der anerkannte Normwert bei etwa 14 Euro je qm im Jahr, also 1,16 Euro als Bestandteil der Monatskosten. Etwa auf diesem Niveau hatte sich das in den letzten Jahren auch eingestellt, ausgenommen die Jahre 2011 und 2012. In dieser Zeit stieg das Instandhaltungsvolumen auf fast den doppelten Wert. Schön, könnte man sagen: Wird also etwas am Wohnungsbestand getan. In den bekannt gewordenen Informationen für 2012 fehlt aber der Nachweis für mindestens 3 Mio. Instandsetzungsleistungen. Eigenartig auch, dass ab dem Jahr 2011 im Geschäftsbericht keine Angaben mehr zu den Maßnahmen der Instandhaltung, Sanierung, Modernisierung... gemacht werden. Aber genau in diese Zeit fielen die Baumaßnahmen zu Sonne/Sonnenhof. Ob es da einen Zusammenhang gibt, wissen wir nicht.

Das Problem der Kredittilgung und Zinsbelastung wurde schon vorher umfassend behandelt.

Die Vergleichsübersicht

In kontinuierlicher Folge werden wir weitere Jenaer Wohnungsunternehmen in diese Übersicht einbinden und bewerten.

Zur Übersicht:

Wohn.-Untern.

 

2010

2011

2012

Schuldenfrei

Jenawohnen

Kreditschulden

ca. 99 Mio

ca. 89 Mio

ca. 78 Mio

2020

Zinsenlast

0,41

0,36

0,31

 

Kaltmiete

4,69

4,80

4,93

 

Örtliche Wohnungs-Genossenschaft

Kreditschulden

6,725 Mio

5,986 Mio

5,630 Mio

2025

Zinsenlast

0,69

0,57

0,52

 

Kaltmiete

4,79

4,82

4,85

 

Wohnungs- Genossenschaft Lobeda-West

Kreditschulden

5.154 Mio

4.898 Mio

4.518 Mio

2021

Zinsenlast

1,34

1,26

1,19

 

Kaltmiete

4,41

4,41

4,41

 

Wohnungs- Genossenschaft Carl Zeiss

Kreditschulden

117,550 Mio

113,266 Mio

114,805 Mio

?????

Zinsenlast

1,17

0,91

0,89

 

Kaltmiete

4,67

5,03

5,06

 

Die Kreditschulden sind in absoluten Werten angegeben, die Zinsbelastung als Anteil an der monatlichen Kaltmiete je qm in Euro.

Und wenn dann alle Kreditschulden getilgt wurden, welche Einnahmen sind noch für die normale Funktion des Wohnungsunternehmens notwendig, um die Verwaltung im bisherigen Umfang abzusichern und alle notwendigen Instandhaltungen zu finanzieren, die Kostenmiete also?

Kostenmiete:

Jenawohnen (mit einer Gewinnabführung von 15,8 Mio.) 3,75 Euro ab 2020
Örtliche Wohnungsgenossenschaft 1,58 Euro ab 2025
Wohnungsgenossenschaft Lobeda-West 1,60 Euro ab 2021
Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss 2,11 Euro ab ?????

(Die Instandhaltungskosten haben wir auf den Normwert gesetzt)

Uns liegen keine Informationen vor, wann eine Entschuldung erreicht wird und ob das überhaupt vorgesehen ist.

Die Kostenmiete lag 2012 bei 4,32 Euro. Wenn man dazu noch die Kosten für Neubau und nachträgliche Herstellung addiert, dann erreicht man den gigantischen Wert von 5,93 Euro. Die Kosten sind höher als die Einnahmen? Nun wird in die Kostenmiete rein theoretisch eine Tilgung in Höhe der Abschreibung eingerechnet. Ohne Tilgung keine Katastrophe! Oder BWL wieder mal schlauer als jede Immobilientheorie?

Die derzeit angelaufene Welle zur Steigerung der Nutzungsgebühr in der WG Carl Zeiss ist rein betriebswirtschaftlich jedenfalls nicht verwunderlich, aus dem Blickwinkel der Wahrung des Genossenschaftsgedankens ein Desaster.