Erstes Fazit

Oder: Stress für die Immobilienwirtschaft in Jena

Stellen Sie sich vor, Ihr Vermieter erklärt Ihnen, ab dem nächsten Jahr seien die Bankschulden für das Haus abgezahlt und er könne dann ohne Probleme auf die Hälfte der Miete verzichten. – Das wird nie passieren, denken Sie? Warum eigentlich nicht? Warum sollten Vermieter mit 10% Gewinn unzufrieden sein und warum sollten Mieter immer nur starr vor Erfurcht vor dem Mietspiegel den Hut ziehen?

Wer sich privat ein Häuschen baut, der möchte später von finanziellen Belastungen befreit sein. Der betreibt Vorsorge für eine Lebensphase mit geringerem Einkommen. Für ein paar Jahrzehnte seines Lebens unterwirft er sich den Gesetzen des Immobilienmarktes und außerdem noch den Marktgesetzen der Banken.

Die Immobilienwirtschaft redet uns ein, es gäbe zum Wohneigentum nur die Alternative der Mietwohnung, deren finanzieller Aufwand durch den Mietspiegel definiert sei. Das ist aber eine Denkfalle, die uns blenden soll!

Es gibt sehr wohl eine 2. Alternative: die des genossenschaftlichen Eigentums!

Jedes Mitglied ist gemeinschaftlicher Eigentümer und nach der Entschuldung befindet er sich in der gleichen günstigen Situation wie der Häuslebauer. Dass er keinen Anspruch auf eine bestimmte Wohnung hat, muss ihn nicht erschüttern.

Zur Geschichte

Im Zuge der deutschen Einheit wurden allen Immobilien im Osten Deutschlands, die nicht im Privatbesitz waren, mit sogenannten Altschulden belastet. Die Schulden wurden bei den Banken hinterlegt und stellten die Sicherheit für den Währungsumtausch dar. Betroffen waren Kommunen, kommunale Immobilienunternehmen und Genossenschaften gleichermaßen. Die Belastung für die Kommunen wurde bis in den Bundestag öfter thematisiert. Die Immobilienunternehmen hatten diese Belastung bei der Neufestlegung der monatlichen Miete Anfang der 90iger mit etwa 2 Euro je qm eingestellt – und die Mieter registrierten das eher mit Verständnis.

Was ist denn eine Immobilie wirklich wert?

Viele kennen aus eigenem Erleben den Wertverfall ihres Lieblingsautos, auch wenn noch so viel gepflegt und erneuert wurde. Bei Immobilien ist das anders! Immobilien zählen zwar im sozialen Kontext immer als Basis für das Grundbedürfnis „Wohnen“, aber wirtschaftlich zählen sie zu den Produktionsmitteln. Und das macht den Unterschied! D.h. sein Wert richtet sich nach den Möglichkeiten des jährlichen finanziellen Ertrags. Indem der Mietspiegel ständig steigt, ergibt sich eine immer weiter öffnende Schere zwischen dieser Steigerung und den begrenzten sozial tragfähigen Belastungen. Immerhin gibt es in Jena 11.000 einkommensschwache Haushalte.

Der Verkehrs- oder Marktwert einer Immobilie ergibt sich nach den Gesetzen des Marktes eben genau aus dieser Überlegung.

Das gilt besonders bei einer Immobilie als Renditeobjekt. Die Erwartungen für die Rendite liegen zwischen 5 und 9%. D.h. die Mieteinnahmen für das Objekt müssen so hoch sein, dass nach Abzug aller Ausgaben für die Unterhaltung, Gebühren, Verwaltung, Rücklagen usw. die angestrebte Rendite als Gewinn verbleibt. Je höher der Mietspiegel, um so höher die Rendite, aber auch um so höher der Kauf- oder Verkaufswert der Immobilie.

Statistik der Jenaer Immobilien

Der Wohnungsbestand der Stadt Jena lässt sich etwa folgenden Gruppen zuordnen:

  1. 9% in älteren Siedlungsgebieten als Eigenheime,
  2. 31% Jenaer Altbauten z.T. vermietet,
  3. 17% kleinteilige Neubauten nach 1990 als Eigenheime,
  4. 27% Kompaktbauten von Jenawohnen, meist Plattenbau vermietet,
  5. 16% Wohnungsgenossenschaften, meist Neubau, auch Altbauten, in Eigennutzung.

Die Wohnungen nach Punkt 4 und 5 werden etwa um 2020 ihre Kreditschulden komplett getilgt haben. Wir hatten das in vorherigen Beiträgen im Detail nachgewiesen. Für alle Wohnungen nach Punkt 1 und 2 dürfte das bei mindestens der Hälfte ebenfalls zutreffen.

Bei aller vorsichtigen Schätzung können wir davon ausgehen, dass ab 2020 etwa 70% aller Jenaer Immobilien keine wesentlichen Bau- oder Instandhaltungsschulden mehr haben werden. Nur höchstens 20% aller Mieter wohnen dann noch in kreditbelasteten Immobilien.

Gewinne? – Worüber reden wir denn eigentlich?

Um eine Immobilie ständig im guten Zustand zu erhalten, sind vom Eigentümer folgende finanzielle Lasten zu tragen:

  1. Kosten der kontinuierlichen Instandhaltung,
  2. Kosten für die Verwaltung des Objektes,
  3. jährliche Abschreibung des Objektes als Tilgungssumme für Kredite,
  4. Zinsen für Kredite,
  5. Mietausfallwagniskosten bei evtl. Leerstand.

Die Nebenkosten mit den bekannten ca. 20 weiteren Positionen bleiben bei dieser Betrachtung unberücksichtigt, die fallen immer an und in jeder Eigentumsform.

Die Summe der 5 Positionen ergibt die „Kostenmiete“. Addiert man dazu den Gewinn, ergibt das die Kaltmiete, die sich dann abgestuft nach Lage, Baujahr usw. im Mietspiegel wieder findet.

Das vorläufige Ergebnis unserer Analyse:

Wohn.-Untern.

 

2010

2011

2012

Schuldenfrei

Jenawohnen

Kreditschulden

ca. 99 Mio

ca. 89 Mio

ca. 78 Mio

2020

Zinsenlast

0,41

0,36

0,31

 

Örtliche Wohnungs-Genossenschaft

Kreditschulden

6,725 Mio

5,986 Mio

5,630 Mio

2025

Zinsenlast

0,69

0,57

0,52

 

Wohnungs- Genossenschaft Lobeda-West

Kreditschulden

5.154 Mio

4.898 Mio

4.518 Mio

2021

Zinsenlast

1,34

1,26

1,19

 

Wohnungs- Genossenschaft Carl Zeiss

Kreditschulden

117,550 Mio

113,266 Mio

114,805 Mio

?????

Zinsenlast

1,17

0,91

0,89

 

Wohnungs- Genossenschaft 1918

Kreditschulden

2,613 Mio

2,374 Mio

1,888 Mio

2019

Zinsenlast

0,59

0,51

0,46

 

Die Kreditschulden sind in absoluten Werten angegeben, die Zinsbelastung als Anteil an der monatlichen Kaltmiete je qm in Euro.

Unsere Analysen gipfeln nun aber in der Feststellung, dass der Anteil der schuldenfreien Wohnungen in Jena ab 2020 von derzeit 20% auf 70% steigen wird, weil die Positionen 3 und 4 dann entfallen und die Position 5 in Jena ohnehin keine Rolle spielt.

Die Kostenmiete beträgt dann höchstens noch 1,80 Euro je qm im Monat!

Grundsätzlich trifft das auf alle Immobilien zu, die vor mehr als 30 Jahren gebaut oder gekauft wurden. Jenawohnen ist zusätzlich mit einer Gewinnzusage an ihre Gesellschafter belastet. Die Freiräume sind dort etwas geringer.

Nur grob geschätzt liegt die Differenz zum Mietspiegels bei 3,80 Euro. Das sind etwa 3.000 Euro, die eine Familie im Jahr nur als Gewinn beisteuert.

Wir wollen keine Neiddiskussion lostreten! Wir akzeptieren problemlos einen Gewinn von 5 bis 10% während der Phase der Schuldentilgung. Aber warum sollten wir nach dieser Phase einen Gewinn von zusätzlich weiteren 12% als fair akzeptieren?

Gewinne ab 20% der Investitionssumme sind einfach unredlich!

So erklären uns die Medien den Immobilienmarkt

Die Fachpublikationen der Immobilienwirtschaft beschreiben die Situation auf dem Jenaer Markt etwa so:

Jenaer Wohnungsmarkt stellt sich aktuell als ein gut funktionierender Markt mit relativ ausdifferenzierter Struktur dar. Dank des erfolgreichen Stadtumbaus befindet sich der Wohnungsmarkt mehr oder weniger im Gleichgewicht, so dass die Marktmechanismen wieder stärker greifen.

Oder bezogen auf die Wohnungsunternehmen:

Preiswerte Wohnungen sind (in Jena) hauptsächlich im Bestand der Wohnungsunternehmen zu finden. Deren Anteil geht jedoch im Zuge der Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen und entsprechenden Mietanpassungen ständig zurück.

Gemeint ist der Anteil preiswerter Wohnungen bei den Wohnungsunternehmen!

In der Frankfurter Allgemeinen vom 02.05.2014 liest sich das sinngemäß so:
Wegen niedriger Arbeitslosigkeit, besserer Verbraucherstimmung und niedrigen Hypothekenzinsen wird auf dem Wohnungsmarkt 2014 eine Mietsteigerung um 4,5% erwartet. Seit 2013 sind in den Großstädten die Preise für Eigentumswohnungen um 13% gestiegen.

Ergänzt wird das durch die Information, dass der Kauf deutscher Immobilien für Ausländer immer lukrativer wird. Besonders ostdeutsche Plattenbauten haben bei guter Lage ein exzellentes Steigerungspotential.

Wie also tatsächlich die Überschüsse verwenden?

Nur etwa 20% der demnächst entschuldeten Jenaer Wohnungen werden privat vermietet, der größere Teil von knapp 50% entfällt auf Jenawohnen und die Jenaer Wohnungsgenossenschaften.

Zur privaten Vermietung besagt eine Statistik von Immowelt, dass 15% der Vermieter ihre Miete noch nie erhöht haben, weitere 13% nur ein mal in 10 Jahren. Dass Vermieter grundsätzlich geldgierig handeln – dieses Klischee sollte man also nicht verwenden. Nur 17% der Vermieter erhöhen im Zeitraum bis zu 3 Jahren.

Nach unserer Statistik könnte Jenawohnen unter Beibehaltung der Gewinnabführung seine Miete auf durchschnittlich 3,75 Euro absenken.

Sicher hat sich ein Stau an Instandsetzungsleistungen gebildet. Aber bei einer Zusatzeinnahme von mehr als 20 Mio. jährlich sollte das locker in wenigen Jahren erledigt sein. Und dann? Greift dann der Stadtkämmerer zu und saniert auf Kosten der Mieter die Stadt Jena?

Bei den Wohnungsgenossenschaften stellt sich das Problem noch drastischer dar. Dort lässt sich die Nutzungsgebühr auf unter 2 Euro absenken!

Eine Ausnahme bildet bisher nur die Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss. Dort werden die Bankkredite gegen Kredite der hauseigenen Spareinrichtung ausgetauscht. Das erspart vermutlich komplett die Rückzahlung gegenüber den Sparern, vorausgesetzt es werden dauerhaft attraktive Anlageoptionen gemacht. Die Spareinrichtung handelt dann offensichtlich wie eine eigene Bank, die Neubau finanziert und Tilgung und Zinsen den neuen Mietern auferlegt. Hm, hat jedenfalls bisher noch nicht funktioniert.

Eines sollte aber bei Jenawohnen und den Genossenschaften klar herauskommen: Neubauimmobilien sind immer eine separate wirtschaftliche Einheit und dürfen nicht zur Belastung der anderen führen. Wer also als Mieter innerhalb der Wohnungsgesellschaft in Neubau wechseln möchte, hat ähnliche Konsequenzen zu tragen als wenn er ganz privat eine Immobilie erwirbt.

So gesehen ist die Situation bei der Wohnungsgenossenschaft Carl Zeiss doch nicht so gravierend anders. Die betriebswirtschaftlichen Belange müssten halt nur stimmen. Wie ist also Altbau oder Plattenbau aufzuwerten?

So, wie sie in jeder Bürgerversammlung, die den Namen zu Recht verdient, immer wieder angesprochen wird:

Dafür muss man aber keineswegs bis 2020 warten. Angesicht der bevorstehenden Entschuldung kann man diese Phase mit günstigen Krediten problemlos strecken und den Bewohnern Gutes tun.

Genossenschaften haben noch die Besonderheit, dass die Mitglieder ja selbst Eigentümer sind und Gewinne anhäufen wäre ja wider den Grundgedanken. Und man muss zur Verwendung der Mittel Beschlüsse der Mitglieder herbeiführen.

Neuerdings gibt es auch Überlegungen, Mitgliederentscheidungen zur stärkeren Investition in den Bestand zu veranlassen. Das geht schon in Ordnung – nur halt nicht als Dauerausgabe und unter Verschweigen der Alternative einer Gebührensenkung.

Anders bei Jenawohnen. Dort hat immer noch der Stadtrat mit zu reden. Und warum sollte ein solches städtisches Unternehmen mit 14.000 Wohnungen nicht eine Vorreiterolle zum Vorteil der Mieter von Jena einnehmen? Und wenn das Jenawohnen macht, müssen andere mit ziehen.

Als Bürger haben wir da schon die Möglichkeit der direkten Einflussnahme.