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Die Entschuldung

Jeder Bankberater wird seinem Kunden vorrechnen, mit welcher Tilgungsrate der letztlich eine Entschuldung seines Objektes erreichen kann. Die maximale zeitliche Obergrenze dürfte bei 30 Jahren liegen. Die Bank möchte sich schließlich nicht dem Streit mit einer Erbengemeinschaft aussetzen.

Der Mietkauf ist ein abgewandeltes Modell. Durch regelmäßig gezahlte Miete wird man in angemessener Zeit Eigentümer der Immobilie. Der Vertragspartner ist aber in der Regel nicht die Bank, sondern ein privater Investor oder der Bauträger.

Dieses Modell ist tatsächlich in Lobeda angewandt worden, um Plattenbauwohnungen zu verkaufen. Der monatliche Betrag wurde der Miethöhe angepasst. Darin enthalten waren natürlich auch die laufenden Instandhaltungskosten. Nebenkosten wurden gesondert berechnet.

Wann wird denn nun Entschuldung erreicht?

Für alle genossenschaftlichen und kommunalen Immobiliengesellschaften in Jena wurde das Jahr 1990 quasi als die Stunde Null ihrer Entstehung angesetzt. Die Bundesregierung hatte damals unabhängig vom Alter der Immobilien eine Kreditbelastung definiert, die abzutragen ist. Das wurde nun bereits über 25 Jahre getan und das erlösende Jahr 30 des Bankberaters gerät in den Blick.

Der "Häuslebauer" würde dem Jahr 30 entspannt und mit Freude entgegen sehen.

Der Mietkäufer in Lobeda freut sich schon länger auf das Ende seiner Mietzahlung.

Das Genossenschaftsmitglied ist über diese Entwicklung kaum informiert, würde dem nicht glauben und hofft stattdessen auf einen moderaten Mietspiegel.

Der kommunale Mieter ist nicht betroffen, der schaut gebannt auf die Entwicklung des Mietspiegels.
Die Ratsherren (und -damen) wissen von dieser Entwicklung nichts und ignorieren das erst einmal.
Die Stadtverwaltung scheint zu überlegen, wie man dem gegensteuern und trotzdem die fetten Zusatz-Gewinne nutzen kann.

Dabei gilt für alle gleichermaßen: Nach der Entschuldung fallen außer den Nebenkosten nur noch die Aufwendungen für die Instandhaltung und die Verwaltung der Immobilien an. Und das sind als Kaltmiete allerhöchstens 2 Euro je qm und Monat!

Wenn Gewinne in Gefahr sind, entwickelt die Immobilienwirtschaft natürlich eine Strategie des Gegensteuerns.

Nein, es nehmen nicht alle Immobilienunternehmen in Jena am Gegensteuern teil, aber die Lobby der großen Unternehmen versucht natürlich, möglichst Viele ins Boot zu bekommen.

Variante 1 der Gegenstrategie sieht so aus:

Man setzt auf Neubau und macht den privaten Bauträgern Konkurrenz.

Die Immobilienunternehmen selbst werden zum Bauträger weil das letztlich die Gewinne steigert oder sie erwerben fertige Immobilien. Sie erweitern also ihren Bestand an Immobilien mit durchaus plausiblen Argumenten:

  • soziale Verantwortung gegenüber der Kommune,
  • betriebswirtschaftliches Gebot zum Erhalt des Anlagewertes des Unternehmens,
  • Verantwortung gegenüber der nächsten Generation,
  • dringender Bedarf der derzeitigen Bewohner,
  • Notwendiger Zuzug von Spezialisten für die Uni und die Industrie usw.

Wer wollte dagegen etwas einwenden? Die Mietpreise für die neuen Objekte werden tatsächlich auch korrekt kalkuliert – immer mit der Option einer kompletten Tilgung aller Aufwende für dieses konkrete Objekt nach spätestens 30 Jahren.

Nur die Wirklichkeit sieht anders aus! Tatsächlich werden die jeweiligen Kredite nicht dem Bauobjekt, sondern dem Unternehmen als Ganzes zugeordnet. Und das nimmt selbstverständlich auch die Bestandsmieter insgesamt in die Pflicht. Es haben sich also gefälligst alle an der Tilgung der Kredite zu beteiligen!

Wie sieht das der Betroffene?

Der "Häuslebauer" kommt mit Sicherheit nicht auf die Idee, aus sozialen Gründen oder um den Anlagewert zu erhalten ein weiteres Haus zu bauen.

Der Mietkäufer in Lobeda hat abgezahlt und wird keine zweite Abzahlung beginnen.

Das Genossenschaftsmitglied hat die gleiche Summe abgezahlt wie der Mietkäufer. Er versteht aber seine Situation nicht wirklich, zeigt sich vermutlich einsichtig und zahlt. Es sei denn, der Vorstand trifft für ihn die richtige Entscheidung.

Der kommunale Mieter hat direkt keine Stimmrechte.
Er wird durch die Ratsherren (und -damen) vertreten und die entscheiden marktkonform im Interesse der Stadtfinanzierung.

Nichts gegen Neubau, der ist dringend nötig. Aber vehement etwas gegen Neubau unter Inanspruchnahme der Bestandsmieter! Die Eichplatzbebauung hätte ohne Zuschuss durch die Bestandsmieter von Jenawohnen wahrscheinlich gar nicht funktioniert. Und beim Genossenschaftsprojekt "Sonne/Sonnenhof" gilt das ebenso.

Variante 2 der Gegenstrategie:

Altbauten sollten nach einiger Zeit an den Standard modernen Wohnens angepasst werden. Das erfordert Investitionen und wohnwertverbessernde Maßnahmen können mit 11% der Investitionssumme jährlich auf die Miete umgelegt werden.

Es handelt sich also um "Neubau" im vorhandenen Wohnungsbestand mit ähnlicher Vorgehensweise wie bei Variante 1. Die Investitionen werden auf die Begünstigten korrekt umgelegt, aber mit der Kreditschuld werden alle belastet. Anstelle neuer Kredite wird auch gern der Abbau der Altschulden verzögert oder ausgesetzt.

Die Position der Betroffenen:

Der "Häuslebauer" investiert auch während der Nutzungsphase in seine Immobilie und nimmt zusätzlich Belastungen in Kauf.

Der Mietkäufer hat eher eingeschränkte Möglichkeiten, nutzt sie aber bei Bedarf.

Das Genossenschaftsmitglied kann verbessernde Investitionen nur indirekt über seinen Vorstand bewirken. Die Kompexität der Finanzierung ist für ihn undurchschaubar.

Der kommunale Mieter ist darauf angewiesen, dass bestimmte moderne Wohnungsausstattungen zur Norm in der Kommune oder in Verwaltungsgebieten erklärt werden. Weitergehende Wünsche sind für ihn nur durch Umzug zu erreichen.

Wiederum: Nichts gegen Investitionen in den vorhandenen Bestand. Die sind dringend notwendig und erwünscht. Nur die solidarische Umlage der zusätzlichen Belastung auf die nicht Begünstigten ist nicht zu akzeptieren.